Thurgau

Homeoffice-Pflicht im Industrie-Kanton: «Wenig verständlich»

08.12.2020, 17:00 Uhr
· Online seit 08.12.2020, 16:36 Uhr
Der Kanton Thurgau hat als erster Kanton die Empfehlung zur Heimarbeit in eine Pflicht umgewandelt. Ab Mittwoch müssen Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer ins Homeoffice senden, sofern dies möglich ist. Der Gewerbeverband findet das unsinnig.
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Die Homeoffice-Pflicht im Kanton Thurgau stösst nicht nur auf Zuspruch. Der Thurgauer Gewerbeverband hält die eingeführte Pflicht im «industriell-gewerblich geprägten Kanton» für «nicht plausibel», wie der Verband in einer Stellungnahme schreibt. Die interpretationsbedürftige Regelung rufe viele Fragen hervor, man hätte sich gewünscht, dass es nur bei einer Empfehlung bleibe.

«Eine Homeoffice-Pflicht in grossen Städten mag sinnvoll sein, im Thurgau ist sie wenig verständlich und macht den Eindruck eines gewissen Aktionismus», so der Gewerbeverband weiter. «Der Thurgau hat eine KMU-Landschaft mit vielen Handwerksbetrieben. Es ist schwierig, bei einem Gewerbe- oder Produktionsbetrieb eine solche Pflicht einzuführen», sagt Marc Widler, Geschäftsführer des Verbands, zu FM1Today. «Die Pflicht ist im Kanton Thurgau schlecht umsetzbar.» Im Kanton Zürich, mit grossem Teil Wirtschafts- und Dienstleistungssektor, wäre eine solche Pflicht logischer.

«Wir hätten uns gerne eingebracht»

Der Gewerbeverband hätte sich vom Kanton eine andere Lösung erhofft. «Wir haben mitbekommen, dass die Pflicht bereits vergangene Woche besprochen wurde. Wir hätten uns gerne eingebracht und allfällige Punkte ausdiskutiert», so Widler.

Bereits viele Arbeitnehmende würden sich seit dem Frühling, oder spätestens seit dem Herbst im Homeoffice befinden. Die Maskenpflicht am Arbeitsplatz, das Distanzhalten und das regelmässige Händewaschen seien bei den restlichen Betrieben, welche nicht im Homeoffice waren, völlig ausreichend gewesen. Nun müssten Personen umkrempeln, bei denen Homeoffice kaum möglich sei. «Ob das Homeoffice dann die heilbringende Massnahme ist, wer weiss. Hauptsache keinen zweiten Lockdown.»

Betriebe sind unsicher

Die Pflicht werfe viele Fragen auf, da die Regelung sehr «interpretationsbedürftig» sei. «Viele Betriebe sind unsicher, was sie jetzt tun müssen», sagt Marc Widler. Zudem habe der Kanton den Firmen sehr wenig Vorlaufzeit gegeben. Es brauche klare Rahmenbedingungen und Beschreibungen, welche Funktionen betroffen seien. Nur so könne der Kanton auch die angedrohten Kontrollen durchführen.

Kanton plant Kontrollen

Zu den Kontrollen äussert sich der Kanton gegenüber FM1Today wie folgt: «Das Arbeitsinspektorat wird im Rahmen der normalen Kontrolle der Schutzkonzepte auch prüfen, ob die Unternehmen zumutbare organisatorische und technische Massnahmen getroffen haben, die Homeoffice ermöglichen.» Homeoffice gelte, sofern es die betrieblichen Umstände zulasse. Der Kanton wolle damit die Ansteckungsrisiken beruflich und privat minimieren.

100 Mitarbeitende per sofort im Homeoffice

Wie viele Arbeitnehmende im Kanton Thurgau von den neuen Massnahmen betroffen sind, kann der Kanton nicht beantworten. Einzelne Firmen mussten aber per sofort ihren Betrieb umkrempeln: Der Storenbauer Griesser etwa muss ab Mittwoch etwa 100 der 1200 Mitarbeitenden in die Heimarbeit verlegen, wie «20 Minuten» schreibt. Die Thurgauer Kantonalbank beschäftigt demnach bereits einen Drittel im Homeoffice und bei Stadler Rail in Bussnang gilt Homeoffice seit der Empfehlung des Bundesrats wieder. Man prüfe bei beiden Firmen aber eine Ausweitung.

veröffentlicht: 8. Dezember 2020 16:36
aktualisiert: 8. Dezember 2020 17:00
Quelle: FM1Today

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