Nach Brand: Grundwasser in Egnach gefährdet

05.07.2019, 16:19 Uhr
· Online seit 05.07.2019, 15:53 Uhr
Der Boden in der Nähe der abgebrannten Tobi Seeobst AG in Egnach ist mit Schadstoffen belastet. Er muss nun abgetragen und entsorgt werden. Brisant: Möglicherweise hat die Feuerwehr Stoffe zur Brandbekämpfung verwendet, die seit Jahren verboten sind.
Christoph Thurnherr
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Mitten in der Wiese liegt eine Plastikfolie. Das ist nicht die Hinterlassenschaft rücksichtsloser Umweltsünder, sondern eine Gegenmassnahme. Der Boden in Egnach, unweit der Tobi Seeobst AG, ist vergiftet. Die Anwohner wurden diese Woche informiert. «Für die Bevölkerung besteht keine unmittelbare Gefahr», sagt Achim Kayser, Leiter Abfall und Boden beim Umweltamt Thurgau. Dennoch besteht Handlungsbedarf. Wie Proben zeigen, ist der Boden bis zu einer Tiefe von etwa 1,2 Metern kontaminiert. Die schädlichen Stoffe könnten frühestens nach etwa drei Jahren ins Grundwasser gelangen. Die Plastikfolie soll Schlimmeres verhindern: Regenwasser könnte die Stoffe tiefer in den Boden sickern lassen.

Hat die Feuerwehr verbotene Substanzen verwendet?

Letztes Jahr waren das Aussenlager und ein Kühllager der Tobi Seeobst AG komplett abgebrannt. Wegen der vielen Plastikkisten handelte es sich um einen heiklen Kunststoffbrand mit potenziell vielen Schadstoffen. Es bestand damals die Befürchtung, dass die Schadstoffe durch das Löschwasser in den Boden geraten könnten. Bereits sechs Monate später stand eine neue Lagerhalle. Das war nur möglich, weil keine Kontaminierung des Bodens festgestellt werden ist.

Nun wurden im Boden einer angrenzenden Wiese allerdings PFT-Stoffe (perfluorierte Alkylverbindungen, die im Verdacht stehen, krebserregend zu sein) und PFOS (Perfluoroctansulfonsäure, siehe Kasten) nachgewiesen. Das sind keine typischen Brandschadstoffe. Aber: PFOS wurde früher als Löschschaum-Bestandteil von der Feuerwehr eingesetzt, bis es 2011 in der Schweiz verboten wurde. «Das Amt für Umwelt Thurgau hat Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Wir wissen nicht, wo der Stoff herkommt. Wenn die Feuerwehr PFOS eingesetzt hat, ist das ein klarer Verstoss gegen das Gesetz», sagt Achim Kayser.

Die Staatsanwaltschaft Thurgau bestätigt den Eingang der Anzeige. Marco Breu, Sprecher der Staatsanwaltschaft, sagt: «Die Ermittlungen laufen, mehr können wir deshalb dazu nicht sagen.»

Verschiedene Theorien

Eine Theorie für die Schadstoffkonzentration besteht seitens des Umweltamts Thurgau: Die Feuerwehr musste das belastete Abwasser beim Brand ableiten. Die Kapazität der Kanalisation ist allerdings begrenzt. Möglicherweise wurde das Wasser gezielt auf die Wiese geleitet, um es dort versickern zu lassen. Sicher ist das jedoch nicht. Vor dem Brand wurden aus nachvollziehbaren Gründen keine Bodenproben genommen.

Eine andere Möglichkeit ist, dass es schon früher einmal in der Nähe der Wiese gebrannt hat. Und der heute verbotene Löschschaum wurde damals eingesetzt. Dies zu ermitteln, dürfte jedoch schwierig werden.

Bei der Feuerwehr Egnach will sich wegen der laufenden Ermittlungen niemand zum Fall äussern und beim Amt für Feuerschutz ist die zuständige Person, die für den Einkauf der Löschmittel verantwortlich ist, ferienbedingt abwesend. Die SBB, die mit einem Löschzug im Einsatz standen, verweisen bei Fragen an die Staatsanwaltschaft Thurgau und die Einsatzleitung der Feuerwehr.

Der Boden muss abgetragen werden

Weder PFT-Stoffe noch PFOS, wo immer sie auch herkommen, sollten ins Grundwasser gelangen. Der Boden muss deswegen abgetragen und entsorgt werden. Offizielle Grenzwerte bestehen nicht. Das Thurgauer Amt für Umwelt hat jedoch Messungen durchgeführt und zusammen mit dem Bundesamt für Umwelt entschieden, dass die Zeit für eine öffentliche Ausschreibung reicht.

Voraussichtlich im Herbst soll die Erde abgetragen und entsorgt werden. «Die oberste Schicht wird wahrscheinlich verbrannt, weil die Konzentration für eine Schweizer Deponie zu hoch ist», sagt Kayser. Das hängt aber auch von den eingehenden Offerten ab. Wichtig scheint vor allem, dass die Erde rechtzeitig entfernt wird. Denn eine Substanz, gegen deren weltweite Produktion sich deutsche Hersteller schon 2002 entschieden haben, hat im Grundwasser nichts verloren.

Perflouroctansulfonsäure (PFOS)

PFOS wurde verwendet, um Textilien, Teppiche und Papier fett-, öl- und wasserfest zu imprägnieren. Es war auch Bestandteil von älteren Feuerlöschschäumen. Laut Achim Kayser ist PFOS kaum natürlich abbaubar und wurde auch schon im Blut von Eisbären nachgewiesen. Bei einer Versickerung kann es in den Nahrungskreislauf gelangen. PFOS wirkt toxisch auf Organismen, auch wenn es im Gegensatz zu den PFT-Stoffen nicht als krebserregend gilt.

Brand Tobi Seeobst AG

Im März 2018 brannte die Lagerhalle der Tobi Seeobst AG in Egnach komplett aus. Dabei wurden über tausend Tonnen Obst zerstört. Vier Jugendliche gerieten in Verdacht, den Brand gelegt zu haben, und gaben zu, sich auf dem Gelände der Firma aufgehalten zu haben. Die Staatsanwaltschaft geht von fahrlässiger Brandstiftung aus, das Strafverfahren läuft.

veröffentlicht: 5. Juli 2019 15:53
aktualisiert: 5. Juli 2019 16:19
Quelle: thc

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