Das Kampfjet-Drama ist um ein Kapitel reicher geworden: Ein vom Bundesrat als «geheim» klassifiziertes Dokument zeigt auf, wie dieser Verhandlungen mit Frankreich über die Beschaffung des französischen Kampfjets «Rafale» führte. Dies hat das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) am Freitagnachmittag publik gemacht. Es beruft sich auf vier voneinander unabhängige Quellen, die das Dokument gesehen haben sollen.
Konkret habe Frankreich dem Bundesrat in einem Schreiben vom 28. Juni 2021 zwei Zusicherungen gemacht, sollten «Rafales» bestellt werden: Erstens würde man einen grösseren Anteil der Steuereinnahmen aus Löhnen der Grenzgängerinnen und Grenzgänger an acht Schweizer Kantone überweisen. Das hätte rund 3.5 Milliarden Franken über zehn Jahre eingebracht, rechnete das Finanzdepartement vor. Zweitens würde man die Schweiz in Zukunft in europapolitischen Dossiers unterstützen.
Entscheid pro F-35 stand bereits fest
Zur Debatte gestanden hatten zu jenem Zeitpunkt aber nicht nur der «Rafale», sondern auch der F-35 des amerikanischen Herstellers Lockheed Martin. Am 30. Juni 2021, zwei Tage nach den Zusicherungen Frankreichs, sollte sich der Bundesrat schliesslich definitiv für den F-35 entscheiden – und den westlichen Nachbarn vor den Kopf stossen. Ebenfalls brisant: Die Zusicherungen Frankreichs kamen nicht von selbst. Finanzminister Ueli Maurer soll sie am 23. Juni in einem Schreiben an seinen französischen Amtskollegen Bruno Le Maire eingefordert haben.
Nachdem die Entscheidung gegen den «Rafale» fiel, habe Frankreich alle hochrangig diplomatischen Beziehungen mit der Schweiz abgebrochen, wie das SRF weiter schreibt. Mit ein Grund für Frankreichs Reaktion: Angeblich sei Wochen zuvor bereits festgestanden, dass nur der F-35 in Frage komme, wie man später aus der Presse entnehmen musste. Und hier tut sich folgende Frage auf: Wieso hat der Bundesrat Frankreich dann überhaupt hingehalten?
Amherd hatte wohl Kenntnis von Verhandlungen
Das Verteidigungsdepartement sagte dazu, dass Verhandlungen mit Frankreich gar nicht stattgefunden hätten. «Wenn solche stattgefunden haben, dann ohne Wissen der Departementsvorsteherin (Bundesrätin Viola Amherd, d. Red.) und des VBS.» Amherd bezichtigte dadurch also indirekt Finanzminister Maurer (der die Zusicherungen einforderte) und Aussenminister Ignazio Cassis, hinter ihrem Rücken verhandelt zu haben.
Bloss: Sagt Amherd damit die Wahrheit? Die Zusicherungseinforderung vom 23. Juni an Frankreich stammt schliesslich vom Bundesrat – als dessen Mitglied hatte Amherd ganz sicher Kenntnis davon. Kommunikationschef Renato Kalbermatten und Bundesratssprecher André Simonazzi sagen dazu nur, dass sie sich über Inhalte von Bundesratssitzungen nicht äussern werden. Nun, da die Verhandlungen mit Frankreich dennoch enthüllt wurden, steht Amherd in keinem guten Licht da.
(mhe)