Das Telefon klingelt. Die Person am anderen Ende erzählt eine dramatische Geschichte von einem Angehörigen, der in Nöten steckt – und jetzt dringend und schnell Geld braucht. Mit dieser Masche versuchen Betrüger, arglose Menschen abzuzocken. Schweizer Behörden haben für 2023 bereits tausende solcher Schockanrufe registriert. Eine Präventionskampagne warnte erst letzte Woche vor dem stark zunehmenden Phänomen. Besonders oft betroffen: ältere Schweizerinnen und Schweizer.
Corona war Treiber von Betrug
Auf 675 Millionen Franken schätzt die Pro Senectute in einer am Montag publizierten Studie die Schadenssumme, die durch Betrugsversuche wie Schockanrufe jedes Jahr anfällt. Auffallend ist dabei die Häufigkeit, mit der ältere Menschen mit kriminellen Machenschaften in Kontakt kommen. Fast vier von fünf Personen über 55 seien in den vergangenen fünf Jahren mit einem Betrugsversuch konfrontiert worden. Während die meisten Betroffenen die Betrugsversuche als solche erkannten, fielen doch knapp 20 Prozent der Befragten einem Betrug zum Opfer.
Ein Grund für den Abzock-Trend ortet Pro Senectute in Corona. Die Pandemie habe der Digitalisierung einen Schub verpasst, der neue Gelegenheiten für kriminelle Machenschaften schuf. So seien die Versuche, sich durch Internetkriminalität zu bereichern, in den letzten fünf Jahren auf fast das Doppelte gestiegen. Sie betreffen laut Studie nun mehr als die Hälfte der Befragten. Ebenfalls nahm die Zahl der Geschädigten zu, wenn auch nicht im selben Ausmass.
Die meisten Abzocker nutzen eine Abhängigkeit aus
Die Studie zeigt aber auch: Am meisten Geld wird älteren Menschen nicht von Betrügern im Internet gestohlen, sondern aus dem unmittelbaren Umfeld. Die grössten Schadenssummen verursachten der Missbrauch einer Vertrauensbeziehung durch eine Fachkraft (mehr als 1,2 Milliarden Franken in den vergangenen fünf Jahren) sowie der Missbrauch einer Vollmacht beziehungsweise des Zugangs zu einem Bankkonto durch eine Vertrauensperson (rund 1 Milliarde Franken).
«Es besteht eine gewisse Diskrepanz zwischen der öffentlichen Wahrnehmung und den effektiv begangenen Straftaten», kommentiert Pro Senectute dies in einer Mitteilung. Es sei in den Medien oft von Enkeltrick und falschen Polizisten zu lesen. Von wesentlich höherer Bedeutung seien jedoch die Betrugssummen bei Delikten, wo eine Abhängigkeit zu professionellen oder nahestehenden Personen besteht. Oder anders gesagt: Die meisten Abzocker finden sich im familiären Umfeld oder in der Betreuung.
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Pro Senectute hat aber auch zwei positive Entwicklungen zu vermelden. Zum einen gebe es heute insgesamt etwas weniger Opfer von finanziellem Missbrauch als zum Zeitpunkt der letzten Studie 2018. Damals fiel ein Viertel der Befragten auf die Betrugsversuche herein. Zum andern seien die laufenden Präventionsmassnahmen insgesamt wirksam. Je älter die Internetnutzenden seien, desto vorsichtiger würden sie.