Atomendlager

Wieso sich die Nagra für Nördlich Lägern entschieden hat – erklärt in 8 Punkten

12.09.2022, 11:16 Uhr
· Online seit 12.09.2022, 08:13 Uhr
Die Nagra schlägt nach fast 50-jähriger Standortsuche die Region Nördlich Lägern in der Zürcher Gemeinde Stadel für das Endlager von radioaktivem Abfall vor. Hier kriegst du Antworten auf die drängendsten Fragen.
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Wo soll das Endlager gebaut werden?

Am Montag kam die Bestätigung: Das Atom-Endlager soll in Nördlich Lägern gebaut werden. Ausserdem sollen die Verpackungsanlagen beim Zwischenlager Würenlingen erstellt werden. Dies, weil es Ressourcen schone und raumplanerisch die beste Lösung sei, sagte Nagra-CEO Matthias Braun an der Pressekonferenz.

Wie wird der Entscheid begründet?

Der Entscheid für das Gebiet Nördlich Lägern ist eindeutig gefallen, auf Grund der geologischen Verhältnisse. Das sagte Braun am Montag in Bern vor den Medien. «Es war ein eindeutiger Entscheid, die Geologie hat gesprochen», sagte er.

Es lasse sich sagen, dass Nördlich Lägern, das Gebiet bei der zürcherischen Gemeinde Stadel, der beste Standort mit den grössten Sicherheitsreserven sei, sagte Braun. Er zeigte den Medienleuten ein Stück Opalinuston. Dieses Gestein nannte er «die wichtigste geologische Barriere» für das Lager.

Was macht den Standort sicher?

Vor allem die Gesteinsschicht: Opalinuston sei 175 Millionen Jahre alt und «unscheinbar grau und geologisch langweilig», sagte Braun. Das gebe Vertrauen für gute Prognosen, auch für die Zukunft. Das Gestein sei sehr dicht, binde radioaktives Material und heile sich bei Brüchen selber. An allen drei Standorten sei der Opalinuston in andere Schichten eingebettet.

In der 100 Meter dicken Schicht Opalinuston fänden sich Spuren uralten Wassers. In Nördlich Lägern sei dieses am ältesten, schilderte Braun die Verhältnisse vor Ort. «Die Natur hat den Einschluss schon getestet, über Millionen von Jahre.»

In Nördlich Lägern sei die Qualität des Steinstapels die beste, die Distanz zur den Einflüssen von aussen ausgesetzte Oberfläche die grösste und der für die ungestörte Lagerung der radioaktiven Abfälle geeignete Bereich am grössten. «Auch ein Haus lässt sich ja auf einer flachen Parzelle besser bauen», sagte Braun.

Wie wird der Entscheid überprüft?

Die Erarbeitung des Standortvorschlages müsse für das Ensi transparent und überprüfbar sein, erklärte Felix Altorfer, Leiter Aufsichtsbereich Entsorgung im Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi), an der Pressekonferenz.

Das Ensi werde die Standortwahl der Nagra nun anhand von neun zentralen Fragen prüfen. Das Ensi brauche dazu die geologischen Daten und Sicherheitsanalysen. Es sollen laut Altorfer zudem internationale Experten beigezogen werden.

Bei der Überprüfung durch das Ensi gehe um die Sicherheit und die technische Umsetzung. Der dauerhafte Schutz von Mensch und Umwelt, beispielsweise beim Grundwasser, müsse gewährleistet werden. Auch ein Schutzbereich für Menschen müsse gewährleistet werden. Das Ensi stehe dabei allen bei Fragen der Sicherheit zur Verfügung.

Bekommen Anwohner Entschädigungen?

Ja, die vom Bau des Endlagers für radioaktive Abfälle betroffenen Gemeinden dürften entschädigt werden. Die Kommunen trügen die Verantwortung für die Lösung einer nationalen Aufgabe, sagte der Zürcher Regierungsrat Martin Neukom (Grüne) vor den Medien.

Die Diskussion um die Abgeltung für das Übernehmen dieser Verantwortung werde intensiv sein, sagte Neukom. Es gehe um die Frage des Radius und die Frage, welche Gemeinde wie viel Geld erhalten solle.

Das Resultat der Abgeltungsverhandlungen sollten zum Beginn der Vernehmlassung vorliegen, ergänzte Monika Stauffer, Leiterin Sektion Radioaktive Abfälle beim Bundesamt für Energie (BFE). Die Abgeltungen sollten in einem Wirkungsperimeter ausbezahlt werden und für regionale Entwicklungen gebraucht werden.

Wie hoch werden die Entschädigungen ausfallen?

Da weiss man noch nicht viel: Zu möglichen Abgeltungssummen machten die Referentinnen und Referenten auf dem Podium keine Angaben. Eine ganz andere Frage sei, wie Schäden entschädigt würden, etwa für die Abwertung von betroffenen Liegenschaften. Hier gebe es gesetzliche Regelungen, sagte Stauffer.

Abgeltungen gingen an die Gemeinden, aber nicht an die Kantone Zürich und Aargau, hielt Neukom zudem fest. Die Kantone wollten die Gemeinden aber in den Verhandlungen unterstützen.

War der Entscheid für Lägern politisch?

Die Zürcher Regierung habe den Standort nicht gewünscht. Aber sie habe von Beginn weg gesagt, dass Sicherheit Vorrang haben müsse. «Deshalb müssen wir akzeptieren, dass die Sicherheit zuoberst steht bei der Standortwahl.» Die Kantone würden das Projekt weiter prüfen.

Die kantonalen Expertengruppen hätten Neukom bestätigt, dass die Nagra wissenschaftlich arbeite. Zudem sei sie gegenüber früher viel offener geworden und die Sicherheitskultur habe sich verbessert. Und die Nagra höre zu.

Es sei kein politischer Entscheid gewesen, Nördlich Lägern zu wählen, erklärte Neukom zudem. Mit den Daten der Nagra seien auch seine Fachleute zum Schluss gekommen, dass Nördlich Lägern aufgrund der Geologie am besten geeignet sei.

Wie gehts jetzt weiter?

Bis voraussichtlich Ende 2024 will die Nagra die Rahmenbewilligungsgesuche für das Tiefenlager beim Bund einreichen. Voraussichtlich ab 2029 werden Bundesrat und Parlament darüber entscheiden. Kommt ein Referendum zu Stande, kann die Stimmbevölkerung mitreden.

Hier kannst du den Liveticker zur PK nachlesen:

(sda/jaw)

veröffentlicht: 12. September 2022 08:13
aktualisiert: 12. September 2022 11:16
Quelle: Today-Zentralredaktion

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