«Saufi»

Diese Songs sind nur betrunken erträglich

18.12.2021, 20:42 Uhr
· Online seit 25.01.2020, 18:31 Uhr
Après-Ski-Hits brauchen wenig, ein bisschen «la la la», einen Bass – und die Leute toben. Unsere Redaktorin Lara Abderhalden hat besonders sinnbefreite Texte herausgesucht und wagt eine persönliche Bilanz.
Anzeige

Es gibt gewisse Dinge im Leben, die muss man nicht verstehen und dazu gehören Après-Ski-Songtexte. Noch nie in meinem Leben sind mir belanglosere, zusammenhangslosere und dümmere Textzeilen begegnet, als diejenigen, die von Mickie Krause und all den anderen Mallorca-Stars mit geblümtem Hemd und Hawaii-Kette kommen. Der aktuell schlimmste aller Schlagersongs, der regelmässig aus den  Musikboxen in allen möglichen Après-Ski-Lokalen dröhnt, ist «Saufi» von Tobee.

Das erste Mal gehört habe ich dieses Stück Primarschul-Aufsatz vor einigen Wochen in der Kuhbar in Arosa. Natürlich sind die Hoffnungen nicht gerade gross, in einer Après-Ski-Bar auf lyrische Perlen zu stossen. Der Song «Saufi» aber kann bei einem Deutschlehrer sehr schnell zu einem Schreikrampf oder zumindest einer kleinen Existenzkrise führen. «War denn die ganze Schule umsonst?», wird sich so mancher fragen, wenn er oder sie die völlig willkürlich aneinander gereihten Wörter hört.

Ich erspare euch jetzt die fünf Wiederholungen, dieses sinnlosen Frage-Antwort-Spiels und komme direkt zum Refrain.

Die Sehnen am Hals der randvollen Gäste in der Kuhbar spannen sich und sind deutlich sichtbar. «Saufautomat» brüllt die Masse und nebst viel Spucke weht eine leichte Brise, die nach Bier und Salami riecht, aus den geöffneten Mäulern. Nachdem das Wort «Saufi» gefühlt in jedem gesprochenen Wort des Songs vorkommt, setzt Tobee zum Höhepunkt des Songs an.

Ha ha. Dieses Lachen ist ironisch gemeint. Leider sind Texte keine physischen Prozesse, sonst würden sich die obigen Songzeilen vor Scham auflösen. Ist euch schon aufgefallen, dass viele Après-Ski-Hits sexistisch sind und den Alkohol verherrlichen? Mehr noch: Es scheint als gehöre es zu den Richtlinien des «so-schreibe-ich-einen-Après-Ski-Kracher» das Wort «Saufen» oder «Alkohol» mindestens einmal in den Text einzubauen. Ich bin auf einen Song von Alicia Melina gestossen (ist übrigens Weltmeisterin im Boxen), da singt sie:

Ina Colada singt:

Unter die Top Ten der einfallslosesten Partykracher-Sänger schafft es auch Micky Krause.

Wie in wirklich jedem Partysong wiederholt sich auch bei diesem Lied die letzte Zeile des Refrains zig Mal. Wer denkt, nur die Deutschen erschaffen solchen Schwachsinn, der hat sich getäuscht. Auch die Schweizer kennen das Wort Partykracher. So singt beispielsweise die Innerschweizer Stubete Gäng:

Das der Song Partykracher-Potential hat, haben auch die Deutschen gemerkt und schnurstracks eine deutsche Version davon gemacht. In der Hauptrolle, der österreichische Schlagersänger und Ex-Skirennfahrer Hansi Hinterseer.

Er hatte sie alle – ist ja auch nicht schwierig, lassen zumindest die Zeilen von Peter Wackels Après-Ski-Hit vermuten.

Eine Erklärung, für die unkreativen Auswüchse der Schlagerstars, liefert Tim Toupet in einem seiner Songs. Für mich ist es das treffendste und ehrlichste Selbstbildnis, einer Szene, zu der eigentlich niemand gehören will, man aber trotzdem nicht entkommt. Zumindest der erste Teil des Refrains ohne das «aber geil».

Es gibt gewisse Dinge im Leben, die muss man nicht verstehen und dazu gehören definitiv Après-Ski-Songtexte. Ja, sie sind belang- und zusammenhangslos, sexistisch und eignen sich definitiv nicht für eine Anti-Alkohol-Kampagne des Bundes. In der Komplexität des Lebens, den Verpflichtungen und Verantwortungen des Alltags scheinen sich jedoch viele Menschen nach etwas Einfachheit zu sehnen – damit können Après-Ski-Hits definitiv dienen. Und wenn eine ganze Après-Ski-Hütte laut «Saufi, Saufi, Saufautomat» schreit – tut das ja niemandem weh – ausser natürlich den Saufenden selbst, wie Tobee so schön singt.

veröffentlicht: 25. Januar 2020 18:31
aktualisiert: 18. Dezember 2021 20:42
Quelle: FM1Today

Anzeige
Anzeige