Stadtrat informiert

Churer Konsumraum für Suchtkranke wird sehr viel teurer als geplant

17.01.2024, 18:00 Uhr
· Online seit 17.01.2024, 15:36 Uhr
Für die Einrichtung des Konsumraums in Chur und einen dreijährigen Pilotbetrieb rechnet die Stadtregierung neu mit Kosten von 3,9 Millionen Franken anstatt 1,1 Millionen Franken. Die Stadt hofft nun auf eine Freigabe des Kredits von Gemeinderat und Bevölkerung.

Quelle: FM1Today/Philomena Koch

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Mit Sätzen wie «Es kann nicht sein, dass x-mal dieselben Personen verhaftet werden müssen» und «Es kann nicht sein, dass regelmässig in Keller eingebrochen wird» eröffnet der Churer Stadtpräsident Urs Marti die Medienkonferenz am Mittwochmorgen in Chur. Er spricht dabei die dringende Notwendigkeit des geplanten Konsumraums in der Stadt an.

Konsum von Base auf dem Vormarsch

Die Kernbotschaft der Orientierung: Es braucht mehr Geld als ursprünglich geplant, um das Projekt realisieren zu können. Die Mehrkosten führt die Stadt auf die aktuell konsumierte Art von Drogen zurück. Der Konsum von Base und anderen kokainbasierten Drogen fordere gleichbleibende und längere Öffnungszeiten und mehr qualifiziertes Fachpersonal, heisst es weiter.

Der Gemeinderat, das Parlament, hatte für den Konsumraum im Juni 2022 bereits 1'080'000 Franken bewilligt. Die Stadtregierung beantragt nun die Aufhebung dieses Kredits und einen neuen Rahmenkredit von 3'879'000 Franken. Der erste Kredit sei so tief wie nur möglich angesetzt worden. Mit dem neuen, gewünschten Budget sei man auf der sicheren Seite.

«Je besser der Rückzugsort ist, desto eher bleiben sie auch dort»

Es gehe der Stadt insbesondere darum, die Herausforderungen menschlich gut abzuwickeln, sagte Marti. Im Konsumraum soll täglich von 11 bis 19 Uhr ein begleiteter Konsum, die Abgabe von Konsumationshilfsmitteln und die weitergehende Begleitung möglich sein. Während dieser Zeit könne die Sicherheit und Ordnung in der Öffentlichkeit und bei der Bevölkerung verbessert werden. «Die Süchtigen verschwinden so natürlich nicht komplett, wir erhoffen uns dadurch aber eine Verbesserung», so der Stadtpräsident weiter.

Die besagten Mehrkosten brauche es konkret, um Rückzugsräume zu schaffen und die Einrichtung auf den Konsum von Base entsprechend anzupassen. «Die Abhängigen ertragen unter dieser Droge wenig Hektik. Je besser der Rückzugsort ist, desto eher bleiben sie auch dort», begründet Stadtrat Patrik Degiacomi unter anderem die zusätzlichen Kosten. Er stützt sich dabei mitunter auf neue Erkenntnisse aus anderen Städten.

Anwohnende in Sorge

Ein weiterer Kostenpunkt, der im ersten Budget nicht in diesem Ausmass berücksichtigt wurde: Die Sicherheit des betroffenen Quartiers. Viele Anwohnenden haben bereits ihre Bedenken gegenüber des geplanten Standortes geäussert. Seit kurzem werden gar Unterschriften gegen die Pläne der Stadt gesammelt, wie die "Südostschweiz" berichtet. Wo gehen die Konsumentinnen und Konsumenten während des Rausches hin? Ist das Quartier dann noch sicher? Kann man noch auf den nahegelegenen Spielplatz gehen? Um einige Sorgen der Nachbarn zu nennen.

Der Stadtrat suchte in der Vergangenheit mehrmals den Dialog mit der Bevölkerung, in Zukunft sind weitere Gespräche geplant. Auch eine Hotline für Beschwerden und Beobachtungen der Leute im Quartier wurde eingerichtet. Weitere Sicherheitsmassnahmen sind nach der Inbetriebnahme des Konsumraumes geplant: So etwa die Abgrenzung zu umliegenden Parzellen, Videoüberwachung und Unterstützung durch einen privaten Sicherheitsdienst, welcher die Stadtpolizei entlasten soll.

Polizei kommt allmählich an ihre Grenzen

Seit März 2023 sei eine extreme Steigerung der Anzahl Personen im Stadtgarten zu spüren, erklärt Andrea Deflorin, Kommandant Stadtpolizei. Auch die Meldungen aus der Bevölkerung hätte seitdem zugenommen. Er spricht von einem «Zustand der Verwahrlosung». Im Winter würden die Suchtkranken beispielsweise in öffentlichen Toiletten oder Hauseingängen übernachten.

«So wie die Situation zurzeit ist, erreichen wir mit erhöhtem Repressionsdruck zwar einen kurzfristigen erhöhten Sicherheitsstandard. Irgendwann kommen die Leute wieder aus dem Vollzug zurück, daher brauchen wir strukturierte Massnahmen, um diese Leute unterstützen zu können.»

Konsumraum kann frühestens Ende 2024 geöffnet werden

Wird der Kredit vom Gemeinderat und der Bevölkerung im Juni genehmigt, kann der Konsumraum nach vier bis fünf Monaten geöffnet werden. «Also frühestens Ende 2024», sagt Degiacomi. Bis dahin gilt es zu warten und hoffen.

Führt die Einrichtung nach der dreijährigen Pilotphase tatsächlich eine Verbesserung für die Suchterkranken wie auch für die restliche Bevölkerung herbei, wird der Kanton den Konsumraum samt Betrieb übernehmen.

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(kop/sda)

veröffentlicht: 17. Januar 2024 15:36
aktualisiert: 17. Januar 2024 18:00
Quelle: FM1Today

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