Arbeits-Ferien-Modell

Mehr Ferien, gleicher Lohn: St.Galler Werbeagentur testet Konzept

· Online seit 18.10.2022, 05:57 Uhr
Angestellten der Werbeagentur Vitamin 2 aus St.Gallen stehen im nächsten Jahr acht statt fünf Wochen Ferien zu – und das ganz ohne Lohneinbusse. Im ersten Moment klingt es wie ein schlechter Witz, hinter dem Modell steckt aber eine klare Idee.
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Angestellten von Vitamin 2 sollen künftig acht statt fünf Wochen Ferien jährlich zustehen. Und das bei einer gleichbleibenden Entlöhnung. Entstanden ist die Idee für das spezielle Konzept vor allem durch und während der Coronapandemie. René Kappeler, Geschäftsleiter von Vitamin 2, hat gesehen, dass seine Mitarbeiter während dieser Zeit keine Mühe mit Homeoffice-Arbeit hatten, sondern sogar kreativer waren. Für ihn ein Zeichen, dass Innovationen durchaus funktionieren können.

Das St.Galler Unternehmen verfolgt mit dem Arbeits-Ferien-Modell ein klares Ziel. René Kappeler ist sich sicher: «Es wird grundsätzlich immer schwieriger qualifizierte Mitarbeiter auf dem Arbeitsmarkt zu finden. Sich als Unternehmen möglichst attraktiv darzustellen, wird in unseren Augen darum immer wichtiger. Mit dem Arbeits-Ferien-Modell wollen wir spannende Leute anziehen, die uns unterstützen.»

Mitarbeiter werden telefonisch abgeworben

Zusätzlich sei es heutzutage auch gang und gäbe, dass Mitarbeiter per Telefon von der Konkurrenz, die horrende Geldsummen anbietet, abgeworben werden. Kappeler: «Da müssen wir dagegen halten. Die Leute sollen sich bei uns wohl fühlen und motiviert arbeiten können.»

Kappeler erklärt die Idee weiter: «Kreativität ist besonders in unserer Branche immens wichtig. Und die wächst nicht einfach so auf Bäumen. Zwei Wochen Ferien am Stück reichen meistens nicht aus, um sich komplett zu regenerieren.» Darum müssen Angestellte von Vitamin 2 vier der insgesamt acht Wochen Ferien am Stück nehmen.

Geht die Rechnung auf?

Mehr Ferien zu haben ist ja schön und gut, eine Innovation innerhalb eines Unternehmens sollte aber immer auch finanziell Sinn machen. «Ob die Idee auch finanziell funktioniert, wird sich zeigen. Wir sind uns aber durchaus bewusst, dass der Gewinn vom nächsten Jahr wohl kleiner ausfallen wird», so Kappeler.

Des Weiteren wird die Rechnung gemäss René Kappeler auch in personeller Hinsicht aufgehen: «Wir arbeiten in Teams. Die Koordination läuft deshalb über Stellvertretungen.»

«Kann durchaus funktionieren»

Reto Föllmi, Professor für Volkswirtschaft an der Universität St.Gallen, schätzt das Arbeits-Ferien-Modell ein: «Es ist sicher eine innovative Idee der Firma, um aufzufallen.» Fölmi weiter: «Aus Sicht einer Einzelfirma kann das Sinn machen. Es macht aber nicht automatisch für andere Firmen oder Branchen auch Sinn. Am Schluss gibt es nur so viel Lohn, wie man auch produziert.»

Die Werbeagentur-Branche könnte sich laut Föllmi für das innovative Konzept aber gut eignen. Er meint: «Es lohnt sich durchaus, sich zu überlegen, was eigentlich die Bedürfnisse von Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind. Wenn es für den Ausgleich oder die Kreativität förderlich ist, kann das durchaus Sinn machen.»

Föllmi abschliessend: «Ich bin gespannt, ob das Konzept aufgeht, würde es aber nicht automatisch verneinen.»

Das Vitamin-2-Team freuts

«Unsere Mitarbeiter haben die Idee mit Euphorie aufgenommen», so Kappeler. Bleibt abzuwarten, ob die Idee, welche ab 2023 eingeführt wird, bei der Werbeagentur auch aus wirtschaftlicher Sicht Freude macht.

Die Testphase des Arbeits-Ferien-Modell wird zwei Jahre lang dauern. Danach will man gemäss Kappeler eine erste Bilanz ziehen.

veröffentlicht: 18. Oktober 2022 05:57
aktualisiert: 18. Oktober 2022 05:57
Quelle: FM1Today

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