Openair Frauenfeld

Gewalttätige Security-Mitarbeiter: Rechtliches Nachspiel nicht ausgeschlossen

· Online seit 13.07.2022, 05:43 Uhr
Das Openair Frauenfeld sorgte dieses Jahr neben guter Stimmung auch für negative Schlagzeilen. Unter anderem, weil ein Security-Mitarbeiter beim Konzert von Lil Baby einen Fan von der Bühne warf. Das könnte rechtliche Folgen haben.
Anzeige

Die Aufnahmen vom Openair Frauenfeld gingen um die Welt: Mehrere Videos auf Social Media zeigten Auseinandersetzungen zwischen Künstlern, deren persönlichen Security-Mitarbeitern und den Festivalbesuchern. Unter anderem berichteten die britische «Daily Mail», die spanische «Marca» oder auch das US-amerikanische Portal «TMZ» darüber.

Quelle: CH Media Video Unit / Katja Jeggli

Beim Konzert von Lil Baby wurde ein Fan, welcher die Bühne stürmte, von einem Sicherheitsmitarbeiter des Musikers von der Bühne getackelt und landete im Graben. Wie Augenzeugen gegenüber «20 Minuten» berichten, knallte der Fan dabei mit dem Kopf gegen eine Absperrung und sei für mehrere Minuten bewusstlos gewesen. Rapper Roddy Ricch legte bei seinem Auftritt gleich selbst Hand an und kickte einen Fan von der Bühne.

Der Aufschrei auf Social Media war gross. Viele konnten das Verhalten nicht nachvollziehen und fragten sich, warum die Polizei nicht eingriff und es kein Nachspiel gab. Doch warum nicht? FM1Today hat bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau nachgefragt und sich den Fall erklären lassen.

Automatische Ermittlungen bei Offizialdelikt

Wie Marco Breu, Mediensprecher der Staatsanwaltschaft Thurgau, erklärt, greife die Staatsanwaltschaft erst ein, wenn es sich um ein Offizialdelikt, wie zum Beispiel schwere Körperverletzung, handle. «Zur Annahme einer schweren Körperverletzung bedarf es jedoch Verletzungen, welche eine unmittelbare Lebensgefahr hervorrufen, bleibende Schäden oder Verstümmelungen mit sich bringen», so Breu.

Auf Anfrage von FM1Today wollte das Festival keine Stellung nehmen und verwies auf die bereits veröffentlichte Berichterstattung. Gegenüber dem «Blick» sagten die Veranstalter jedoch am Wochenende, dass niemand ernsthaft verletzt wurde. Daher handelt es sich auch nicht um ein Offizialdelikt, sondern ein Antragsdelikt. In diesem Fall ermitteln die Behörden erst, wenn eine Strafanzeige gestellt wird. «Die Betroffenen können bis zu drei Monate nach der Tat einen Strafantrag stellen», erklärt Breu. Bisher ging allerdings laut Kantonspolizei Thurgau noch keine Anzeige ein.

Verfahren heisst nicht Urteil

Doch wie wäre das weitere Vorgehen? Angenommen, der Strafantrag ist eingereicht und es liegt eine strafrechtlich relevante Verletzung der körperlichen Integrität vor, wäre laut Breu in solchen Situationen das Vorliegen eines sogenannten Rechtfertigungsgrundes zu prüfen. «Hier werden die Rechtfertigungsgründe der Notwehr, des Notstandes und allenfalls sogar einer impliziten Einwilligung durch den Verletzten zu prüfen sein», so Breu. Als implizite Einwilligung könnte beispielsweise das Betreten der abgesperrten Bühne verstanden werden, da der junge Mann wusste, dass er dies nicht darf, und es trotzdem tat. Laut Breu könne man diese Frage aber nicht generell im Voraus beantworten, zumal hier verschiedene Abwägungen, wie beispielsweise tangierte Rechtsgüter oder die Angemessenheit der Reaktion einfliessen.

Liegt ein strafbares Verhalten vor und der Rechtfertigungsgrund fehlt, könnte den Securitys der Erlass eines Strafbefehls (bis 180 Tagessätzen Geldstrafe) oder eine Anklage drohen. Dies ist auch der Fall, wenn die Beschuldigten bereits nicht mehr im Land wären. Aber Breu sagt auch: «Faktisch wäre eine Strafuntersuchung natürlich erschwert, da gewisse Beweiserhebungen wie beispielsweise die Einvernahmen und Befragungen durch die jeweiligen Behörden vor Ort durchzuführen wären, soweit die Beschuldigten nicht bereit wären, hierfür in die Schweiz zu kommen.»

Es könnte also sein, dass es zu einer Untersuchung kommt. Bisher deutet allerdings nichts darauf hin. Und auch wenn es zu einem Verfahren kommen würde, könnte es sein, dass es nicht zu einer Verurteilung kommt, wenn ein Rechtfertigungsgrund vorliegen würde.

(mma)

veröffentlicht: 13. Juli 2022 05:43
aktualisiert: 13. Juli 2022 05:43
Quelle: FM1Today

Anzeige
Anzeige