Steuern zu bezahlen, macht wohl niemand gerne. Dennoch gehört es dazu, damit ein Staat funktionieren kann. Doch in den vergangenen Jahren nimmt die Zahl von sogenannten Staatsverweigerern – Personen, die glauben, dass die Schweizer Eidgenossenschaft gar kein Staat, sondern eine Firma ist – zu. In der Deutschschweiz ist das Phänomen weitverbreitet, wie Recherchen von «SRF» zeigen.
Das spüren auch die Betreibungsämter im FM1-Land, die sich an vorderster Front mit dieser Klientel auseinandersetzen müssen.
Häufung in den vergangenen Jahren
Eine Situation, die laut Roger Wiesendanger, Amtsleiter des Amts für Betreibungs- und Konkurswesen im Kanton Thurgau, herausfordernd sei. «Früher hatten wir vereinzelte Fälle. In den letzten Jahren hat das aber zugenommen», erklärt Wiesendanger. Mittlerweile seien mehrere Fälle pro Woche im ganzen Kanton zu verzeichnen.
Vor allem der Hinterthurgau und die Bodenseeregion sei davon betroffen. Wiesendanger führt dies auf die Nähe zu Deutschland und Österreich zurück, wo die Reichsbürgerbewegung seit längerem einen Aufschwung erlebt.
Zudem sei auch die Corona-Pandemie ein Treiber gewesen, so Wiesendanger: «Wir bemerken, dass es seit der Pandemie deutlich mehr Leute gibt, die den Staat nicht mehr anerkennen.» Viele seien der Reichsbürger-Ideologie verfallen.
Auch im Kanton St.Gallen wurde eine Zunahme festgestellt. Als Beispiel dient hier die Rheintaler Gemeinde Buchs. «Es gibt einen Mehraufwand», sagt Reto Latzer, stellvertretender Stadtschreiber der Gemeinde Buchs, zu FM1Today. Insbesondere während der Corona-Zeit sei es zu einer Häufung gekommen. «Grundsätzlich anerkennen sie den Staat nicht als Staatshoheit an, sondern berufen sich darauf, dass es sich um eine Firma handelt, mit der sie keinen ‹Vertrag› abgeschlossen hätten», so Latzer.
Anders als im Nachbarkanton habe man in Buchs aber das Gefühl, dass die Fälle seit der Aufhebung der staatlichen Pandemiemassnahmen leicht zurückgegangen sind.
Briefflut für Betreibungsämter
Die Mitarbeitenden der Betreibungsämter seien stark von den Staatsverweigerern betroffen, da dadurch eine überwältigende Arbeitsmenge anfällt. Als Beispiel wird der immense Schriftverkehr genannt, der durch diese Personen verursacht wird. Die Ämter würden regelrecht mit Schreiben eingedeckt – mit voller Absicht. Auch Anzeigen gegen das jeweilige Amt oder gegen Wiesendanger persönlich würden vorkommen.
«Was das angeht, sind wir am untersten Ende der Nahrungskette», sagt der Thurgauer Amtsleiter. Die Angestellten seien die ersten, die es mit diesen Personen direkt zu tun bekommen. Kooperativ seien sie selten. «Es kommt vor, dass es zu heftigen Diskussionen und unflätigem Verhalten am Schalter kommt», führt Wiesendanger aus. In manchen Fällen musste gar die Polizei gerufen werden. Das sei für die Mitarbeitenden belastend.
In Buchs sind keine Fälle bekannt, die zu einem Polizeieinsatz geführt hätten. «Drohungen aus dieser Personengruppe haben wir nur in finanzieller und strafrechtlicher Hinsicht erfahren», sagt Latzer. Die Strafanzeigen werden jedoch von der Strafkammer in solchen Fällen nicht eröffnet. Als belastend oder beängstigend würden sie die Situation aber nicht bezeichnen, sondern lediglich als zeitaufwändig.
Schulung mit Sonderblock und Trennscheiben
Während es in Buchs keine speziellen Vorkehrungen aufgrund der Staatsverweigerer gibt, werden im Kanton Thurgau die Angestellten der Betreibungsämter extra in eine Schulung geschickt. In dieser werden Gesprächsführung und Deeskalation gelernt sowie aktiv trainiert.
Wiesendanger betont, dass dies nicht nur gegen sogenannte Staatsverweigerer sei. «Die Stimmung auf dem Betreibungsamt ist ja meistens nicht so fröhlich, weil die Leute ja nicht freiwillig kommen», sagt Wiesendanger, aber: «Wir haben in dieser Schulung extra einen Sonderblock für den Umgang mit Staatsverweigerern integriert.»
Zudem gebe aus auch bauliche Massnahmen, die die Mitarbeitenden schützen sollen. Beispielsweise gibt es Software-Alarmierungsknöpfe und die Sachbearbeitenden im Vollzug sind von Personen durch eine Scheibe getrennt.
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