Spitzguuge

Der FC St.Gallen versöhnt sich mit dem VAR

· Online seit 18.10.2021, 08:20 Uhr
Weil der Video Assistant Referee (VAR) beide Augen zudrückt, jubelt der FC St.Gallen gegen Servette über den ersten Heimsieg der Saison. «So oder so müssen Anfeindungen und Drohungen gegenüber Schiedsrichtern endlich ein Ende haben», schreibt Sportjournalist Dominic Ledergerber.
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Man kann sich nur vorstellen, wie am Sonntag spät in der Nachspielzeit die Konversation zwischen Schiedsrichter Luca Piccolo im Kybunpark und VAR Urs Schnyder in Volketswil ausgesehen haben mag. «Luca, du hast da ein klares Foul des St.Gallers Diakité übersehen.» – «Bist du sicher, Urs? Ich traue mich fast nicht, nachzusehen.» – «Doch, Luca, das musst du dir nochmals anschauen.»

Schiedsrichter Luca Piccolo eilt an die Seitenlinie, sieht das klare Vergehen vor dem St.Galler Siegtor und sagt dann: «Meinetwegen ist das ein Foul, Urs. Aber lieber einen Rüffel vom Wermelinger als Haue vom St.Galler Publikum...»

Durchaus möglich, dass sich dieses Gespräch in etwas so abgespielt hat, wir werden es nie erfahren. Jedenfalls erfuhr der FC St.Gallen in der Schlussminute gegen Servette das, was man im Volksjargon ausgleichende Gerechtigkeit nennt. Des Öfteren haben die St.Galler seit seiner Einführung mit Eingriffen des Video Assistant Referees (VAR) gehadert, um daraufhin nicht selten von Schiedsrichter-Chef Dani Wermelinger zu hören, dass die Kritik gerechtfertigt war.

Ein ernster Hintergrund

Seit dem Vizemeistertitel – und womöglich sogar schon viel länger – gibt es einige Zuschauer, die felsenfest davon überzeugt sind, dass die Swiss Football League (SFL) die Teams aus Bern, Zürich oder Basel bevorzugt. Und es gibt sie nicht nur in St.Gallen, sondern auch im Welschland oder im Tessin.

Man mag den einleitend erfundenen Dialog nun amüsant finden, doch das Ganze hat einen ernsten Hintergrund: In den vergangenen Wochen und Monaten häuften sich die Vorfälle, bei denen Schiedsrichter und Video Assistant Referees aufs Übelste beschimpft wurden und sogar Todesdrohungen erhalten haben.

Mit Verlaub: Das muss endlich ein Ende haben, egal wer sich wie stark benachteiligt fühlt. Trotz der technischen Unterstützung sind es immer noch Menschen, die Entscheidungen fällen – dass sie sich dabei am mehr oder weniger frei interpretierbaren «klaren Fehlentscheid» als Kriterium orientieren müssen, hilft ihnen nicht weiter.

Genauso wenig wie die im Vergleich zu anderen Ländern immer noch mangelhafte Professionalisierung des Schiedsrichterwesens.

St.Gallens Versöhnung

Den Espen spielte dieser Umstand gestern sogar in die Karten: Wären in der Schweiz die finanziellen Mittel für eine kalibrierte Offside-Linie vorhanden, wäre Guillemenots Siegtreffer womöglich sogar dann aberkannt worden, wenn man Diakités Aktion aus welchen Gründen auch immer nicht als Foulspiel taxiert hätte.

Doch genug vom Konjunktiv. So ist eben Fussball! Gerade dem in der Vergangenheit oft benachteiligten FC St.Gallen dürften diese Worte nun, da er seine acht Spiele umfassende Sieglosserie beenden konnte, besonders leicht von den Lippen gehen.

Die St.Galler haben sich gestern mit dem VAR versöhnt, man könnte sogar sagen: Der VAR hat den FCSG zum ersten Heimsieg «kompensiert» – auch wenn dieser Sieg keineswegs gestohlen war.

Viel wichtiger sind aber folgende vier Erkenntnisse: 1. Der FC St.Gallen kann noch gewinnen. 2. Am Sonntag steigt das wichtige Kellerduell in Luzern. 3. Die Zeidler-Truppe muss unbedingt die hohen Bälle des Gegners in den Griff bekommen. Und 4. Es gibt keine Verschwörung gegen Grün-Weiss.

veröffentlicht: 18. Oktober 2021 08:20
aktualisiert: 18. Oktober 2021 08:20
Quelle: FM1Today

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