Brexit: «Wir sind schockiert»
«Die vergangenen Tage war ich eigentlich ziemlich zuversichtlich, dass es nicht zum Brexit kommt, und so ging es auch meinen Bekannten hier», sagt Carla Maurer. Sie wisse gar nicht so recht, was sie sagen solle, so überrascht sei sie. Carla Maurer ist reformierte Pfarrerin der Schweizer Kirche in London. Sie kennt viele Auslandschweizer und Internationale in der Hauptstadt Englands. Schon seit vier Jahren lebt sie in London.
Vor allem jüngere Leute und Arbeitstätige in London sind ihrer Meinung nach unglücklich über diesen Entscheid. «Viele Schweizerinnen und Schweizer profitieren von der Freizügigkeit der EU», sagt sie. «Viele sehen die europäische Vielfalt als grosse Bereicherung», sagt sie.
EU-Schweiz als Vorbild
Im Wahlkampf sei die Beziehung der Schweiz zur EU immer wieder ein Thema gewesen. «Die Informationslage des Verhältnisses zwischen der Schweiz und der EU und der bilateralen Verträge ist relativ dürftig», sagt Maurer. «Ich hatte viele Gespräche mit Engländern und musste ihnen klar machen, dass man nicht einfach bei der EU auswählen kann, was man will». Die Verträge der Schweiz mit der EU seien ja bindend und kämen einer Mitgliedschaft sehr nahe. «Ich glaube, dieses Bewusstsein fehlt bei vielen.»
Keine persönlichen Konsequenzen
Der Brexit hat Konsequenzen für den freien Personenverkehr, davon wäre auch Carla Maurer betroffen. Fürchtet sie um ihre Aufenthaltsberechtigung? «Unmittelbar wird sich nichts verändern. Das dauert nun - soweit ich weiss - mindestens zwei Jahre, bis die EU-Mitgliedschaft von Grossbritannien aufgelöst wird», sagt Maurer. Sie gehöre so oder so zu den privilegierten Migranten in England. «Ich hätte ja die Möglichkeit, in ein anderes Land zu reisen und dort eine Arbeit zu finden. Der Austritt betrifft vor allem jene, die in prekären Arbeitsbedingungen und unklaren Aufenthaltsverhältnissen leben.»
«Kein Plan»
Was ihr momentan am meisten Sorgen macht, ist das Gefühl, dass überhaupt kein Plan existiert. «Nun müssen sich zerstrittene Parteien aufraffen und zu einer Lösung kommen. Ich hoffe, gute Leute nehmen die Zukunft jetzt in die Hand und bin sehr gespannt, wie das herauskommt», sagt Maurer.
(lak)